Reden wir über Pedelec-Tuning
Das Wetter wird (schon wieder) schlechter. Nass und kalt wechseln sich ab, es ist Januar und noch keine Saison für Zweiräder.
Da könnte man doch mal im Versandhandel sich so ein "Tuning-Kit" ...
Schlechte Idee. Ganz schlechte Idee!
Grundlagen: Unterschiede
In diesem Beitrag geht es um PEDELECS. Das sind die Teile, bei denen man selbst trampeln muss, damit ein Elektromotor bis zur Geschwindigkeit von 25 km/h(*1) mit maximal 250 Watt unterstützt. Sie gelten rechtlich wir "normale" Fahrräder ohne Motorunterstützung.
Dann gibt es noch S-PEDELECS, bei denen man auch selbst trampeln muss um eine Unterstützung bis maximal 45 km/h zu erhalten. Sie gelten jedoch nicht mehr als normale Fahrräder (dürfen z. B. keine Radwege benutzen) und benötigen eine Versicherung, ein Kennzeichen und bedingen das Tragen eines entsprechenden Helmes.
Das was üblich als EBIKE bezeichnet wird ist rein sachlich gesehen ein Motorrad mit Elektroantrieb. Also so richtig Motorrad. Die meisten Menschen benutzen den Begriff "eBike" jedoch für alle genannten Zweiräder, genauso wie man "Tempo" für "Papiertaschentuch" sagt, auch wenn es eigentlich nicht richtig ist.
Jetzt geht es - wie schon erwähnt - nur um Pedelecs.
Irrglaube 25 km/h
Räumen wir zuerst einmal mit einem Irrglauben auf.
Es ist nicht verboten mit einem Pedelec schneller als 25 km/h zu fahren
Richtig. Ich darf mit einem Pedelec - ganz legal - schneller fahren als 25 km/h. Sogar deutlich schneller. Nur eben nicht im Zusammenhang mit Motorunterstützung.
Aber wenn ich mich ordentliche anstrenge - oder auch ganz ohne Anstrengung bergab - darf ich natürlich schneller als 25 km/h fahren, wie mit jedem anderen Fahrrad auch.
Jedoch - wie bei jedem anderen Fahrzeug auch - muss man (auch wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen nur für KRAFTFAHRZEUGE gelten) mit dem Rad/Pedelec jederzeit "angemessen" fahren. Wer meint z. B. mit 40 km/h durch eine Spielstraße fahren zu können, weil "ich darf das ja" liegt falsch: wer nicht in der Lage ist "vernünftig" am Straßenverkehr teil zu nehmen, dem darf die Teilnahme untersagt werden. Auch ganz legal.
Wenn ich also doch schneller als 25 km/h mit dem Pedelec fahren darf, wieso dann nicht getunt? Was spricht dagegen?
Die Garantie geht flöten
Natürlich löst sich das Pedelec nicht ab einer Geschwindigkeit von 25,1 km/h in Wohlgefallen auf. Und Rahmen und Bremsen halten hoffentlich eine Geschwindigkeit von deutlich mehr als 25 km/h aus, ansonsten würden Bergabfahrten lebensgefährlich.
Aber jedem ist doch wohl klar, dass wenn er seinen PKW-Motor so tunen würde, dass dieser auf einmal die doppelte Leistung bringt, der Motor das nicht unbedingt gut verträgt und man den Hersteller auftretende Schäden wohl kaum dem Hersteller als "Garantiefall" unter die Nase reiben kann.
Wer nun aber denkt "das können die mir nicht nachweisen" liegt nicht ganz richtig. Zwar kann man die meisten Tuning-Kits "spurlos" entfernen, nicht jedoch die Tuning-Folgen. So protokollieren Akku und Motor z. B. abgerufene Leistungen, Verbräuche und entstandene Temperaturen. Und in der Physik ist es nun einmal so, dass doppelte Leistung meist der vierfachen Energie bedarf, was sich an den genannten Aufzeichnungen nachvollziehen lässt. Und wie will man dann erklären, dass man die letzten 100 Kilometer den Energiebedarf einer "Tour-de-France" hatte?
» Bosch: eBike-Tuning - gefährlich und riskant!
Die Betriebserlaubnis geht flöten
Jeder weiß, dass man einen LKW nur dann fahren darf, wenn man dazu den entsprechenden Führerschein besitzt. Und wer ein Pedelec tunt, besitzt eben kein Pedelec mehr, sondern ein "anderes" Fahrzeug.
Da stehen mit "Fahren ohne Betriebserlaubnis", "Fahren ohne Versicherungsschutz" sowie "Fahren ohne Fahrerlaubnis" Dinge zur Auswahl, die von 70 Euro + 1 Punkt in Flensburg bis hin zu "Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu 1 Jahr" gehen.
» ADAC: Tuning von E-Bikes: Ist das erlaubt?
Der Versicherungsschutz geht flöten
Wer mit einem Fahrzeug ohne Zulassung unterwegs ist hat zwangsweise auch keinen Versicherungsschutz. Und das wiederum kann bedeuten: bei einem Unfall ist man komplett privat ohne Limit Schadensersatzpflichtig. Bei einem Unfall mit Personenschaden kann das z. B. zahlen bis an das Lebensende bedeuten (für die Schäden anderer, auf dem eigenen Schaden bleibt man selbst sitzen und eventuelle eigene Behandlungskosten können Krankenkassen ggf. ablehnen bzw. zurückfordern oder begrenzen).
Schlimm genug wenn man jemanden verletzt hat. Aber wenn man für diese Folgen lebenslang zur Kasse gebeten wird setzt das dem Ganzen noch die Krone auf.
» Die Versicherer: Warum Sie Ihr E-Bike nicht tunen sollten
Der Sinn geht flöten
Natur, Landschaft, Feldwege. Man radelt so vor sich hin, genießt das Wetter und die Gegend, hört die Vögel zwitschern, lässt Biegung um Biegung hinter sich und stellt auf einmal fest, dass die Häuser die man sieht an der Weser liegen - man ist schon fast bis Bremen geradelt.
Und nein: diesen Weg möchte man eben nicht mit einem LKW, Cabrio oder Motorrad fahren. Und ebenso wenig möchte man die Strecke mit einem getunten Pedelec doppelt so schnell hinter sich bringen. Es geht um das friedliche Radeln an einem Urlaubstag. Der Motor dient dazu, dass man die Tour in Ruhe fahren kann ohne sich zu hetzen!
Legales Pedelec-Tuning
Ja, es gibt doch als einzige Ausnahme ein legales Pedelec-Tuning, das sogenannte Bio-Tuning. Also Training. Das Witzige ist: wer ohne Motortuning Pedelec fährt wird feststellen, dass das Bio-Tuning automatisch eintritt!
Moral & Gesetz
Wenn jemand mit dem PKW innerorts bis zu 10 km/h zu schnell fährt zahlt 30 Euro. Wer sogar mehr als 70 km/h zu schnell fährt zahlt "nur" 800 Euro (bekommt allerdings noch zwei Punkte in Flensburg und darf drei Monate nicht mehr selbst PKW fahren).
Wer jedoch sein Pedelec tunt und z. B. 5 km/h zu schnell fährt ist schnell mit weit über 1.000 Euro dabei. Dafür darf man weiter Rad fahren. Natürlich ungetunt.
Tuning - nein danke!
Ich halte es persönlich ziemlich sinnbefreit (m)ein Pedelec zu tunen. Möchte ich schneller fahren, kann ich das ja ganz legal indem ich mir ein S-Pedelec zulege. Oder ich fahre direkt mit dem Auto oder Motorrad.
Wenn ich mit dem Pedelec fahre möchte ich ja mit dem Pedelec fahren. Gerade weil es gesund und ökologisch ist und ich durch die Natur / Fahrradwege fahren möchte.
Und mir reichen auch die 25 km/h. Falls ich mehr möchte, kann ich mehr treten. Und auch die Kraft des Motors ist mehr als ausreichend: 250 Watt ist auf einem Rad welches nur ~20 Kg wiegt schon sehr viel Unterstützung. Und die 85 Nm, die der Motor bietet sind mehr als manches Motorrad auf die Straße bringen kann.
Bergauf kann ich teilweise mit so viel Kraft nicht mehr anfahren, das Hinterrad dreht einfach durch.
Ich sehe den Nutzen gerade im Vergleich zum Risiko einfach nicht. Und wenn schneller mit dem Pedelec, dann Downhill. Da ist die Strecke wenigstens abgesperrt und wenn es einen erwischt, dann bin ich es selbst.
Fun-Fact
Wer sein Pedelecs übrigens so tunt, dass er 30 km/h statt der erlaubten 25 km/h fahren kann, schafft in z. B. 10 Minuten doch glatt 830 Meter mehr. Und ist dafür aber illegal unterwegs!?
30 km/h = 5 km in 10 Minuten
25 km/h = 4,17 km in 10 Minuten
Also: Ball flach halten, ganz entspannt mit Motorunterstützung ungetunt durch die Gegend radeln und die Landschaft genießen, und sich nicht wegen ein paar km/h die man langsamer ist aufregen.
*1
Damit die Unterstützung von bis zu 250 Watt ab 25,1 km/h nicht "urplötzlich" wegfällt blenden die Hersteller stufenweise die Unterstützung im Bereich bis zu angezeigten ~27 km/h aus.
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